Johannesauslegungen

Joh 9, 10 Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen aufgetan worden? 11 Er antwortete: Der Mensch, der Jesus heißt, machte einen Brei und strich ihn auf meine Augen und sprach: Geh zum Teich Siloah und wasche dich! Ich ging hin und wusch mich und wurde sehend. 12 Da fragten sie ihn: Wo ist er? Er sprach: Ich weiß es nicht.

Der Blindgeborene hatte genau mitbekommen, das Augenlicht geschenkte: „Ein Mensch, der Jesus heißt.“ Und auch das andere konnte er genau schildern, wie dieser Jesus das getan hatte: Wort für Wort konnte er es erzählen, was sich ereignet hatte. Allein, dass Jesus diesen Brei aus Spucke und Straßendreck formte, hat er hier nicht eigens wiederholt.

 Aber worin liegt dann der Fortschritt im 11. Vers der Erzählung, wo sich doch die Worte doch völlig gleichen? Die Erzählungen des Evangelisten Johannes pflegen sich wie bei einer Spirale in kreisend vorwärts zu bewegen. Eine Windung weiter scheint er fast an derselben Stelle zu kreisen und ist doch eine Windung tiefer in die Materie eingedrungen. 

Worin liegt denn nun der Fortschritt bei der Wiederholung des schon Beschriebenen? Es gibt tatsächlich einen neuen: Zuerst war das aufsehenerregende Ereignis geschehen: Jesus schenkt dem Blindgeborenen das Augenlicht! 

Doch nun wurde aus dem Ereignis eine Erzählung. Wieder und wieder würde der ehemals Blinde erzählen, wie es geschehen war! Und er würde es doch Wort für Wort wieder erzählen, ohne etwas auszulassen! Er würde es seinen Kindern und Enkeln erzählen seinen Freunden und allen, die ihn besuchten. Er konnte doch auch ganz authentisch Bericht von seiner Heilung geben, war er doch selbst der Betroffene! Noch näher konnte doch niemand dem außergewöhnlichen Ereignis sein als der, dem es widerfahren war! 

Die Worte des ehemals Blinden geben das Ereignis unverfälscht wieder: ein fragloser Gehorsam, mit dem der Blindgeborene der Aufforderung dieses Jesus folgte, seine Augen am Teich von Siloah auswusch und erstmals in seinem Leben sehen konnte! Nicht nur in diesem Moment, sondern immer wieder wird er das aufregende Ereignis schildern, wird er das Geschehen mit gleichen Worten bezeugen! 

Ereignis und Erzählung – sie ziehen sich durch diese Geschichte und auch durch unser Leben. Wenn zum Beispiel die Kinder fragen, wie sich Vater und Mutter gefunden haben…

Wenn Worte Wunder vergegenwärtigen…